Würzburg/Leipzig – Mehr als nur Freizeitlektüre, Grundlagen für ein versiertes Fachstudium bietet diese Buch zur Intersektionalität: Von der Antidiskriminierung zur befreiten Gesellschaft? von: Christopher Sweetapple / Heinz-Jürgen Voß / Salih Alexander Wolter, BLACK BOOKS, Stuttgart: Schmetterling-Verlag, 1. Auflage 2020, 12 Euro, ISBN 3-89657-167-2 Verlag-Informationen: http://www.schmetterling-verlag.de/page-5_isbn-3-89657-167-2.htm
Intersektionalität (IS abgek.) ist als sexualwissenschaftlicher Begriff zur Zeit auch bei Fachleuten und sog. (S)Experten wohl (noch) weitgehend unbekannt, zeigt aber beim Studium dieser Veröffentlichung seine grundlegende und künftige Bedeutung für eine zeitgemäße moderne Sexualwissenschaft und die Evolution einer angemessenen Fachsprache, obwohl er als nicht konsensfähiger „Kampf“-Begriff kaum mehr als bei an dieser Spezial-Materie Interessierten Verwendung finden dürfte.
Der ungewöhnlich sperrig wirkende Begriff der IS macht an Fachliteratur interessierte Menschen wohl neugierig. Und für den Einstieg ist der Klappentext als Verlagsinformation sehr hilfreich, die innere Abwehr zu überlisten.
Beim Lesen dieser fach- und sexualwissenschaftlichen Nischenliteratur fühlte ich mich in das Oberseminar meines Soziologiestudiums von 1975 versetzt: Alltagswissen – Identität zwischen Wissen und Tun bei systemimmanenten Strukturen. Da ging es im Gremium plötzlich nicht mehr um Sache und Inhalte, sondern darum warum und wieso man/frau eine solch ungewöhnliche fast „Kunst“-Sprache benützen müsse, um sich als Soziologe zu beweisen. Wie gesagt, in diese Zeit fühlte ich mich zurückversetzt und kam bei dieser dezidiert ungewöhnlich auffälligen Fachsprache ins Grübeln. Selbst als ein versierter, fremdwortgestählter und humanistisch gebildeter Altphilologe konnte ich Seite für Seite den Gedanken nicht verdrängen: Cui bono? Wem soll das nützlich sein und/oder für wen ist das geschrieben und wofür braucht´s denn das?
Schon der Titel Intersektionalität lässt sofort nach der Schere im Kopf greifen: Nicht-Verstehen-Können ist oft genug Grundlage und Voraussetzung des N-V-WOLLENS, – Klappe zu, Daumen runter, – auch eine Folge wie bei politisch eingesetzten Totschlag-Argumenten. Aber als studierter Insider ist mir dieses Phänomen jeglicher Fach-Sprache mit seiner sich gegen begrifflichen Alltäglichkeiten abschottenden Wirkung bekannt, auch, dass sie sein muss, damit die „Experten“ sich in ihrer Sprache sehr nuanciert und präzise ausdrücken und unterhalten können. Ein Begriff umschreibt und beinhaltet ein ganzes Strukturen-System, das ohne ein solches Vokabular jeweils neu dargelegt und diskutiert werden müsste. Wie gesagt, wer sich auf diesem immer noch relativ neuen Gebiet der modernen Sexualwissenschaft bewegen will, der muss die Fachsprache und ihre dezidierten Termini beherrschen, – nicht nur für die Prüfung. Nur so kann er oder sie (m,w,d) z. B. bei Konferenzen den Ausführungen folgen, mitdiskutieren und ggf. eigene Vorstellungen sach- und zielgemäß formulieren und einbringen zum allgemeinen wissenschaftlichen Fortschritt. Begifflichkeiten, scheinbar immer undurchsichtiger für die Allgemeinheit, sind für Insider und eingeweihte „Innercircler“ daher ein MUST, – conditio sine qua non.
Intersection meint Kreuzung Überschneidung Schnitt- und Knotenpunkt, was mir am besten gefällt, weil da der schwierige Teil des intra- und inderindividuellen Durchdringens steckt. Ich zähle diesen Begriff zum zentralen Bereich sexualwissenschaftlicher Fachdidaktik. Um diesen nach Konsens ringenden Grundphänomen dreht sich die wissenschaftliche Disziplin der Humanwissenschaft, deren Forschungs-, Lehr- und Entwicklungsgegenstände gesellschaftlich notwendige fach- bzw. domänenspezifische Lern- und Lehrprozesse sind. (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Fachdidaktik)
Der Begriff IS ist so neu nicht, wie ursprünglich zu vermuten war. „Intersektionalität“, so informiert der Verlag und die Autorenschaft mit dem Klappentext und unter dem o. a. Link, „wurde in der Bundesrepublik bereits seit den frühen 1990er Jahren von Linken eingefordert, die als Jüdinnen, People of Color und/oder Menschen mit Behinderung ihre Situation als Mehrfachdiskriminierte im Ein-Punkt-Aktivismus etwa der Frauen- und Homobewegung nicht berücksichtigt sahen. Der deutschsprachige akademische Betrieb griff solche Kritik erst mit zehnjähriger Verspätung auf und behandelt sie zumeist als reinen Theorie-Import aus den USA. Heute erfährt der vor allem im queerfeministischen Spektrum of Color verbreitete intersektionale Ansatz, der den gängigen Rassismus thematisiert, zum Teil heftigen Widerspruch nicht nur – erwartbar – von rechts, sondern auch von links. Der Vorwurf lautet, hier werde «Identitätspolitik» zulasten eines Engagements für eine grundlegend andere, bessere Gesellschaft betrieben.
Vor diesem Hintergrund zeichnen die Autoren zunächst den Denkweg der Schwarzen US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw nach, die dem «provisorischen Konzept» Intersektionalität Ende der 1980er-Jahre nicht nur den Namen gab, sondern es in Antonio Gramscis Reflexionen zu einem westlichen Marxismus fundierte und zugleich «postmoderne» Ideen dafür politisch nutzbar machte. Daneben wird ein Überblick über das aktuelle Weiterdenken des Konzepts aus einer internationalen soziografischen Perspektive gegeben. Im zweiten Teil des Buches werden, mit zahlreichen Interview-Auszügen belegt, die Ergebnisse einer über mehrere Jahre hin bundesweit durchgeführten wissenschaftlichen Studie zu sexualisierter Gewalt gegen Jugendliche dargestellt. Hier zeigen sich überdeutlich die Notwendigkeit eines intersektionalen Ansatzes zur Prävention und der Stärkung migrantischer Selbstorganisation. In einem kurzen politischen Schlusskapitel wird das Fazit aus Theorie und Empirie gezogen.“
Bei der Intersektionalität geht es nicht um die Pflege von kulturellen Eigenheiten, sondern um eine gesamtgesellschaftlich ausgelegte «Untersuchung der Unterdrückung», die für linke Politik unter den heutigen Verhältnissen äußerst produktiv sein kann.
Aber, Neues wird gerne und zu oft abgelehnt, weil man(n) es sprachlich oder sachlich nicht verstehen will, insbesondere wenn es um Themen geht, die am Ego kratzen (könnten). Aber gelernt bleibt dennoch, bei Unfall exemplarisch oder sonstwie gesellschaftlichem Zusammentreffen müssen Gender, Race mitgedacht werden – Klasse, sexuelle Orientierung und Color nicht unbeachtet bleiben (S. 12) – nicht nur bei Emanzipationsprozessen.
IS ist Mehrfachzugehörigkeit (S. 28) im Bewusstsein, das Leben ist keine Einbahnstraße. Insoweit sollte es auch schulische Querschnitt-Aufgabe werden im Sinne des zur Sexualerziehung verpflichtenden Runderlasses von Sachsen-Anhalt 2015 werden. In Bayern und sonst meint dieses „im fächerübergreifenden Unterricht“. (S. 31)
Wichtige Erkenntnis (S. 18) Crenshaw: Color über die bislang trennenden und ausgrenzenden Begriffe einbeziehen! IS ist nach Foucault „Machtstruktur zur Regulierung der Wissensproduktion und sogar der Lebensführung“ und ein Anspruch der Bürgerrechtsbewegung nach M. L. King.
Ausgrenzung durch Sprache wird unter IS nicht thematisiert, – sollte aber! Es ist für mich gefühlt noch nicht lange her, dass Studenten (m,w,d) beklagten, sie verstünden die Grundlagentexte in den Seminaren nicht, weil sie eben nicht humanistisch ausgerichtet studiert hätten mit Latein, Griechisch, Hebräisch. Heute gewinnt man den Eindruck, dass dies für eine englisch und anglizistisch durchformte Kunstsprache gelten könnte, was wiederum eine Ausgrenzung der spanisch sprechenden Weltbevölkerung darstellt.
Als Verstoß gegen die Barrierefreiheit sollte gelten, dass manfrau nur mit Abitur studieren dürfe, dem Joschka-Fischer-Syndrom. Der schon zu meiner Studierzeit anprangerte, dass ihm der Weg zu Adorno und Habermas versperrt würde, gottlob aber nicht mehr der Weg an die politischen Futtertröge. Ontologie kommt einem Sperrvermerk in der Vita gleich.
Minimierung von Verwundbarkeiten durch gesellschaftliche Strukturen (S.16). Ob dazu auch die Sprach-Gewalt zählen muss, bleibt an dieser Stelle im Sinne von CIA „contradictio in adjecto“ für mich zu fragen. Widerspruch in der Beifügung/Hinzufügung ist in der Terminologie der traditionellen Logik ein Widerspruch innerhalb eines Begriffs, das heißt ein Widerspruch, der darin besteht, dass der Begriff Merkmale enthält, die ihm selbst widersprechen. Ich meine, wenn etwas erklärt wird in so extremer Fachsprache, dass Normalsterbliche nicht mehr folgen können oder sollen, dann werden die bewusst oder unbewusst oder gar vorsätzlich ausgeschlossen von Denk- und Lernprozessen auf einem nicht unwichtigen Gebiet es Menschseins, der Sexualität.
Um sich auf gehobenem Niveau gedanklich austauschen zu können für eine einvernehmliche gesellschaftliche Fortentwicklung, nicht um der Ausgrenzung willen, z. B. von Andersdenkenden, muss die „Grammatik“ stimmen, d.h. die Struktur der Kommunikation unter Gleichen, wenn sie nicht a priori zielverfehlend misslingen soll.
Empfehlung
Das Studienbuch und die Ziele des Fachbüchleins verdienen Anerkennung in mehrfacher Hinsicht:
Verbesserung der gesellschaftlichen Zustände bzgl. Ungleichheit, Unterdrückung, Machtmissbrauch und Ausschluss von Lebenszugängen, z. B. der Beseitigung ontologischer Hemmnisse. Und dieses im Bereich der didaktischen Evolution der Fachsprache.
Ich empfehle diese sexualwissenschaftliche Grundlagenveröffentlichung weg von der Diskriminierung hin zur befreiten Gesellschaft allen, die in dieser Materie arbeiten, denken, gestalten und führen.
Sie kann die Bedeutung der eigenen Erfahrung und die Mediation zur Aus-, Fort- und Weiterbildung für Mehrfachbedeutsamkeit unseres Denkens, Tuns und Handeln und unsere sexualpädagogische professionelle Arbeit sensibler intra- und interindividuell gestalten helfen (S. 56).
Das Lernen, Grenzerfahrungen sind oft nicht subjektiv erfahrbar gemacht und kulturelle Unterschiede sowie altersgemäßes Wissen wird (immer noch vermutlich) westdenkend generalisiert. Dieses großen Hemmnis für intersektionale pädagogische Arbeit (S. 62) kann durch Studium dieser Veröffentlichung verringert werden.
Hilfreich ist der systematische Überblick (S. 70 -74) zur intersektionalen Arbeit. Das gilt auch für das ausführliche Literaturverzeichnis und die Arbeit mit Migranten. (S. 86ff)
Hier ist ein weiteres Angebot für vielleicht auch streitbare Themen der Sexualbildung geschaffen, was ein Basisauftrag für SeBiLe ist und bleibt (S. 85).
Verlagseigene Werbung für andere Literatur fand ich in diesem Falle willkommen, z. B. für Torenz, Ja heißt Ja (S. 92).
Wissenschaftler (m,w,d) schreiben Second-Hand-Literatur ohne eigenes fundiertes und fachspezifisches Basiswissen. Da nützt auch kontextuale Empathie wenig. Wer sich professionell in diese Materie der menschlichen Sexualität und ihres wissenschaftlichen Studiums begeben will, kommt um die ganz spezielle und besondere Thematik der Intersektionalität nicht herum. Zum Basiswissen würden auch verständlichere Aussagen reichen, aber ab dem Oberseminar müssen die künftigen (S)Experten vertieft einsteigen. Ohne gehobene (nicht exaltierte) Fachsprache ist Erarbeitung und Verbreitung von Fachwissen wohl schwerlich möglich.
Die Fachsprache* ist zu beherrschen ein MUST, aber inwieweit und wie exzessiv man/frau/divers sie im Rahmen von Forschung und Lehre sowie Vortragstätigkeit anwenden muss, bleibt dahingestellt.
Kritikpunkte für Verbesserung bei einer Neuauflage
Für mich war die Zuordnung der Autoren und ihre Zuständigkeit für die jeweiligen Texte in der Veröffentlichung nicht erkennbar. Das könnte schon im Inhaltsverzeichnis verbessert werden. Es ändert aber nichts an der Zielsetzung, den Begriff Intersektionalität wissenschaftlich in Gänze darlegen zu wollen.
Das an Format eher unscheinbare Büchlein erschwert den Zugang durch seine enge Zeilenführung mit Kleindruckschrift, – ist aber vielleicht schon sehr auf die Sicht des Pensionärs mit Alterssichtigkeit abgestellt.
Gleichwohl könnten genau deswegen Studenten (m,w,d) die BLACK BOOKS-Serie schätzen, weil die Aufmachung für eine mobile Generation, die auch unterwegs arbeitsfähig sein muss, gestaltet ist, wenn sie die sehr spezielle Begrifflichkeit Intersektionalität umfassend und grundlegend studieren können will.
Ein wenig Nachgeschmack bleibt bei der Häufung der (noch) neuartigen Begriffen der Professores ex Kathedra, die sich gerne untereinander, aber immer häufiger auch nur sich selbst (Literaturangabe) zitieren: Sich so distanziert, abgehoben und für Laien (bewusst) unverständlich auszudrücken, heißt wohl (auch), dass die unter ihm (m,w,d) Sitzenden den Blick senken, verstummen und keine („dummen“) Fragen stellen. Ist das ein Beweis der Professionalität? Unterdrückung durch Lehrgehabe „Kraft höherer Entscheidungsgewalt“ … nach wikiped Signifikante Dominanzkultur (S. 24).
Der für empfindliche Seelen sicht- und spürbare Ausdruck von Wort- und Meinungsführerschaft sollte vielleicht doch vermieden werden, denn im Sinne der Thematik bleibt doch einiges auch noch „ausgrenzend“ und somit contradictio in adjecto.
Buch- und Schriftgröße könnten als grenzwertig gelten für Leute mit Seheinschränkungen, also für immer mehr ältere Menschen ein Verstoß gegen die Barrierefreiheit.
Bleibt die zur Zeit allenthalben spürbare Forderung nach Zusammenfassung in „leichter Sprache“, – bei dieser Thematik kaum vorstellbar!
Ex Cathedra Begrifflichkeiten, wissenschaftlich „qualitiativ überhöht“ erklärt, kraft „höherer Entscheidungsgewalt“, sodass Zweifel oder Einwände nicht zulässig sind oder man sich nicht zu erheben wagt, wären bildungssprachlich abwertend, weil ausgrenzend, hier: im Sinne des Buches und der intersektionellen Thematik zu verurteilen.
Zusammenfassung:
Sexualwissenschaft und Sexualpädagogik mit ihr bedürfen einer angemessenen Fachsprache. Hierzu ist konkrete Forschungsarbeit unerlässlich und die interpretierte Veröffentlichung der erzielten Ergebnisse. Daran und an der zeitgemäßen Entwicklung und Anwendung arbeiten wir von der DGG eV mit.
Der Begriff Intersektionalität ist hierbei zentral zu sehen und für die sexualwissenschaftliche Evolution von großer Bedeutung.
Linus Dietz, Linus Dietz, Dipl.-Päd. (Univ.) Würzburg, 25. Juni 2020
Anlage:
(Exemplarisch Auszug 1 aus einem Lehrstück von sexualwissenschaftlicher Fachsprache* der „neuen Moderne“)
Cisgender (lat. cis- „diesseits“ und engl. gender „Geschlecht“) ist das Gegenteil von Transgender (lat. trans- „jenseitig“, „darüber hinaus“), als die Kurzform, bezeichnet also Menschen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem körperlichen Geschlecht übereinstimmt.
CIS, in: https://de.wikipedia.org/wiki/Cisgender, 210420, 12:34
Cisgender (lateinisch cis- ‚diesseits‘ und englisch gender ‚soziales Geschlecht‘), auch Zisgender, Zissexualität und Zissexualismus genannt, bezeichnet Personen, deren zum Zeitpunkt der Geburt zugeschriebenes Geschlecht (teilweise „Hebammengeschlecht“ genannt[1][2]), mit dem sie im Geburtenregistereingetragen wurden (auch Geburtsgeschlecht[3][4] oder rechtliches Geschlecht[2] genannt), mit ihrer sich in den ersten Lebensjahren entwickelnden Geschlechtsidentität zusammenfällt.[5][6][7][8][9]
„Cisgender“ ist somit das Gegenteil von „Transgender“ (lateinisch trans- ‚jenseitig‘, ‚darüber hinaus‘)[10] und trifft auf die überwiegende Mehrheit der Menschen zu.[11]
Den Ausdruck Zissexualismus bzw. Zissexuelle führte der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch 1991 ein, um auszudrücken, dass es Cissexuelle geben müsse, wenn es Transsexuelle gebe, und dass das als normal unterstellte Zusammenfallen von Körpergeschlecht und Geschlechtsidentität keine Selbstverständlichkeit sei:[5]
„Apropos Zissexuelle. Wenn es Transsexuelle gibt, muss es logischerweise auch Zissexuelle geben. Die einen sind ohne die anderen gar nicht zu denken. Gestattet habe ich mir, die Ausdrücke Zissexualismus, Zissexuelle, Cisgender usw. einzuführen (Sigusch 1991,[12] 1992,[13] 1995[14]), um die geschlechtseuphorische Mehrheit, bei der Körpergeschlecht und Geschlechtsidentität scheinbar natural zusammenfallen, in jenes falbe Licht zu setzen, in dem das Objektiv des Geschlechtsbinarismus, in dem nosomorpher Blick und klinischer Jargon die geschlechtsdyphorische Minderheit, namentlich die sogenannten Transsexuellen, ganz sicher erkennen zu können glauben. Das lateinische cis- bedeutet als Vorsilbe: diesseits. […] Das lateinische trans- bedeutet als Vorsilbe: hindurch, quer durch, hinüber, jenseits, über – hinaus. […] Zissexuelle befinden sich folglich (vom Körpergeschlecht und damit vom kulturellen Bigenus aus gesehen) diesseits, Transsexuelle jenseits. Und das Neo-Logische am Transsexualismus ist, dass er sein eigentlich immer schon logisches Gegenstück, den Zissexualismus, grundsätzlich ins Zwielicht rückt. Indem der Transsexualismus beweist, dass auch die Geschlechtlichkeit ein kulturell Zusammengesetztes und psychosozial Vermitteltes ist, fallen Körpergeschlecht und psychosoziale Geschlechtsidentität bei den »Normalen«, die bisher die einzig »Gesunden« waren, nicht mehr fraglos zusammen. Das geht aber ans kulturell Eingemachte.“
– Volkmar Sigusch: Sexualitäten: Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten, 2013.[6]
Es existieren weitere umgangssprachliche, weniger geläufige Bezeichnungen für Cisgender-Personen, wie „geborene Frauen/Männer“ oder „genetische Männer/Frauen“ oder auch „Biomann“ und „Biofrau“, in Anlehnung an „Transmann“ („Trans-Mann“) und „Transfrau“ („Trans-Frau“),[4] die jedoch als diskriminierend wahrgenommen werden können. Das analoge Cisgender-Begriffspaar ist „Cis-Mann“ und „Cis-Frau“.[15]
QED (quod erat demonstandum)