25. August 2021 – ALLES HAT SEINE ZEIT – Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geschlechtserziehung ist mit sofortiger Wirkung von seinem Ehrenamt zurückgetreten. – Die DGG (1978 – 2011) als „eV“ und die Beratungsstelle zur gesetzbasierten schulischen Sexualbildung für Ratsuchende sind Vergangenheit.

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„Wenn du merkst, du reitest ein totes Pferd, musst du absteigen, – mag es noch so schwer sein, denn so geht es keinesfalls weiter“, so der Vorsitzende Linus Dietz zu Beginn der Final-Sitzung in der Würzburger Geschäftsstelle.

Am 25. August 2001 wurde Dietz in Köln auf der Mitgliederversammlung zum Vorsitzenden der DGG eV gewählt. Zusammen mit drei bewährten Fachfrauen, die schon im eigenen Verein des Landesverbandes Bayern-DGG miteinander erfolgreich gearbeitet hatten, übernahm er die Führung und baute die Gesellschaft zur schulischen Aufklärung auf wissenschaftlicher und gesetzlicher Basis genau 20 Jahre bis 2021 aus.

Immer wieder war das Anliegen zu spüren, nicht nur fachliche Projekte anzustoßen und durchzuführen, sondern auch diesen Verein „gesellschaftlich“ voran zu bringen. Davon sind auf der Homepage genügend Beispiele zu finden.

Aber unsere Deutsche Gesellschaft für Geschlechtserziehung, wie der Begriff zur damaligen Zeit üblicherweise lautete, ist wie der Name selbst in die Jahre gekommen. Aktive Mitglieder mussten schon von uns gehen, die Mehrheit ist nun auch weit über das Alter hinaus, wo man/frau sich noch gerne fachlich engagieren kann und möchte, und Nachwuchs, der an wissenschaftlich begleiteter Sexualerziehung Interesse zeigen oder sich gar in die Führungsverantwortung einbringen möchte, ist bei vielfältiger Bemühung nicht zu finden gewesen.

Auf der letzten Mitgliederversammlung 2019 wurde diskutiert und die folgenschwere Konsequenz der möglichen Auflösung kommuniziert, wenn sich kein übernahmebereiter Vorstand findet. Die coronabedingt schwierige Situation mit den Einladungen zu Veranstaltungen sind zudem für eine effektive Personalsuche nicht förderlich gewesen. Der plötzliche Tod unserer jahrzehntelangen loyalen und hilfsbereiten Stellvertreterin führte uns die Misere im letzten Jahr zudem drastisch vor Augen.

Die für unsere Stabilität notwendigen Fördermitglieder sind z. T. unerwartet ausgestiegen. Die Einnahmen aus der Mitgliedschaft müssten drastisch erhöht werden zum Betreiben einer Geschäftsstelle und den dazu gehörenden personellen, sachlichen und digitalen Anforderungen. Dieses Szenario ist absolut irreal.

Am 1. August wurde zu einer finalen Sitzung zur Beschlussfassung um eine Lösung aus dieser Situation geladen. Am Ende der Tagesordnung führte eine Wortmeldung zur Tagesordnung zu einer nicht auflösbaren Situation: Mit Datum heute ist der Vorstand der DGG eV mit sofortiger Wirkung von seinen ehrenamtlichen Funktionen zurückgetreten mit dem gemeinsamen Tenor: „Genug ist genug. Und 20 Jahre sind mehr als genug!“

Der „Last-Präsident“ ist gebeten, die juristisch geordnete Abwicklung der DGG als „eV“ zu betreiben, wie es die Satzung vorsieht. Dieses wird die Geschäftsstelle nun ab sofort ordnungs- und satzungsgemäß in die Wege leiten. Die Ehrenvorsitzenden und Ehrenmitglieder sowie die Aktivität werden verständigt. Ausstände sind beglichen – Insolvenz war kein Thema – die Konten der DGG sind gesperrt und werden aufgelöst. Ebenso die Mitgliedschaften in anderen Vereinen und Institutionen sowie in den Dachgesellschaften. Registergericht und Finanzamt werden verständigt, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.

Vergangenheit heißt nicht, dass alles zu Ende gegangen wäre. Die Anschrift der Geschäftsstelle und die Seiten der Homepage werden noch eine gute Zeit lang bestehen bleiben. Die Geschichte der DGG gilt es aufzuarbeiten, personell, persönlich, funktional und historisch wird sie geschrieben werden. Das könnte eine Herausforderung für eine Magister-, Master und/oder Doktorarbeit sein. Die Fachleute der DGG würden hilfreich zur Seite stehen. Wer sich beteiligen möchte, ist herzlich aufgerufen, Anregungen, Material, Bücher, Referate, Filme und sonst welche Fundstücke einzubringen. Unsere Archivsammlung wird an eine gemeinnützige Organisation gem. der Satzung zu vermitteln versucht werden.

Unsere satzungsgemäßen Aufgaben wurden in all den Jahren sorgfältig, gewissenhaft und mit Augenmaß betrieben, turnus- und ordnungsgemäß revidiert und die Gemeinnützigkeit als hohes Gut geachtet.

Wir haben seit der Gründung 1978 bis heute regelmäßig auf die expressis verbis Versprechungen des Staates in den fachlichen Richtlinien zur schulischen Sexualerziehung aller Bundesländer hingewiesen, dass die Lehrkräfte in den drei Phasen der Aus-, Fort- und Weiterbildung in die Lage versetzt werden können und müssen, die gesetzliche Forderung nach schulischer Aufklärung in allen Klassen aller Schulen aller Schularten auf wissenschaftlicher Grundlage ideologiefrei didaktisch und methodisch schulangemessen zu leisten. Dieses geschieht staatlicherseits bis heute seit 1968 nur äußerst unzureichend. Und dort, wo es z. B. über die BZgA durchaus couragiert betrieben wird, musste die notwendigen Besonderheiten zwischen schulisch verpflichtender Unterrichtsarbeit durch staatliche Lehrkräfte und außerschulischer freiwilliger Aufklärungsarbeit durch sog. (S)Experten als nicht immer korrekt im Sinne des Gesetzes kritisiert werden. Das hat nie bedeutet, dass ein so gut geschultes außerschulisches Personal nicht unterstützend als hilfreich und bereichernd dazu eingeladen werden könnte. Die Delegation der staatlich verordneten Aufklärung mit Maß und Ziel kann und darf von Lehrkräften – und z. T. auf Antrag einzelner Eltern – nicht delegiert und in außerschulische Verantwortung ausgelagert werden. Von einer Schul-Leitung schon gleich gar nicht, denn genau die trägt für die Durchführung an der Schule die letztlich Verantwortung. „Dass sich der Veranlasser und Verursacher einer schwierigen Erziehungs- und Unterrichtsaufgabe über Jahrzehnte aus der Verantwortung für die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte stiehlt, hielten wir von Anfang an und halten es heute immer noch für absolut unangemessen für die Schülerinnen und Schüler, ihre Lehrkräfte und Erziehungsberechtigten“, so Dietz abschließend – quasi als Würzburger Resolution 2021 – „und wir hoffen, dass alle an diesem Thema und Problem Interessierten dies weiterhin kritisch betrachten mit Sachverstand und Zivilcourage, jetzt aber ohne die DGG im Verein. Aber niemand muss organisiert sein, um sich einzumischen, um Bürgerrechte einzufordern.“

Allen, die mir und uns in der DGG eV, insbesondere in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs hin zur digitalen Welt geholfen haben, danke ich, danken wir herzlich und wünschen Glückauf weiterhin! Als Past-Präsident werde mit allen DGG-lern (m,w,d) – soweit sie es wollen – in Kontakt bleiben.

Bleibt, bleiben Sie der Sache Sexualbildung unter erschwerten gesellschaftlichen Bedingungen und Herausforderungen gewogen. Kritisches Einmischen ist und bleibt Bürgerpflicht!

Alles Gute in der Hoffnung auf ein gelegentliches Wiedersehen und auf gut „frängisch“: „Dässdämmä fai xund blaid!“