DIGITALISIERUNG BRAUCHT WIRKSAMEN KINDERSCHUTZ VOR PORNOGRAFIE
Laut § 184 StGB ist das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen von pornografischen Inhalten an Personen unter 18 Jahren ein Straftatbestand. Dieses Gesetz wird angesichts der freien Zugänglichkeit harter Pornografie ohne Altersverifikation und angesichts der Ausstattung von Kindern und Jugendlichen mit internetfähigen Endgeräten ohne entsprechende Sicherheitssoftware und ohne diesbezügliche klare Vorgaben täglich millionenfach verletzt.
Laut Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention darf das Wohl von Kindern anderen Interessen und Maßnahmen niemals untergeordnet werden:
„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
Forderungen:
1. Die Digitalisierung von Schule und der damit verbundene immer frühere und zeitintensivere Internetgebrauch muss endlich von effektiven Kinder- und Jugendschutzmaßnahmen begleitet werden.
Dies schließt technische Lösungen wie verpflichtende Schutzsoftware ebenso ein wie systematische Aufklärung und Schulungen für Eltern und Lehrkräfte über die Risiken von kindlichem und jugendlichem Pornografiekonsum sowie über pädagogische Handlungsmöglichkeiten.
Prävention von Pornografiekonsum im Kindes- und Jugendalter sollte zudem fester Bestandteil in den Lehrplänen der mit Sexualaufklärung und Medienerziehung befassten Fächer werden.
2. Die freie Zugänglichkeit von Pornografie für Kinder und Jugendliche muss zudem durch die Verpflichtung von Pornoanbietern zur Einrichtung eines Altersverifikationssystems verhindert werden.
3. Die Herstellung, Verbreitung und der Besitz von Gewalt- und Folterpornografie, die Straftaten zeigt und verherrlicht (z.B. Vergewaltigungen, schwere Körperverletzung oder Rachepornografie) sowie von Tier-, Kinder- und Jugendpornografie (§ 184a/b/c StGB) muss konsequent verfolgt und bestraft werden.
4. Das Herstellen, Hochladen und Verbreiten von Nackt- und Sexdarstellungen bzw. Aufnahmen des Intimbereichs ohne die Einwilligung der Dargestellten (Revengeporn, Upskirting u.a.) soll als selbstständiger Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden.
Begründung
Die kommentarlose Duldung des Zugangs zu Pornografie unabhängig vom Alter der Betrachter stellt einen massiven Eingriff in die sexuelle Sozialisation der jungen Generation dar.
Kinder mit pornografischen Inhalten zu konfrontieren bzw. durch entsprechende Bilder, Filme oder Reden auf sie einzuwirken, ist eine Form von sexuellem Missbrauch (StGB §176, (4) 4.).
Vielen Dank für Ihre Unterstützung, Tabea Freitag aus Haste
Die DGG eV unterstützt OPEN PETITION 2021 3
vor-pornografie/unterschreiben/motivation
Die Forderung nach grundsätzlich allgemeiner, vollkommen umfänglich und gänzlich freier
Digitalisierung (auf Staatskosten) ist seit geraumer Zeit nicht mehr zu überh.ren, aber die
wahrscheinlich eintretenden Folgen werden ausgeblendet, … weil die meisten Menschen den direkten
Zusammenhang nicht sehen (wollen) und im Hintergrund massive wirtschaftliche Interessen die
Thematik befeuern und das an sich richtige Ziel unproblematisch aussehen lassen.
DIGITALISIERUNG BRAUCHT WIRKSAMEN KINDERSCHUTZ VOR PORNOGRAFIE
„Ich wurde die Bilder nicht mehr los. Pornos haben meine Phantasie vergiftet und meine
Kindheit gestohlen.“ „Er (Bruder) hat das jahrelang an mir nachgemacht und mir
Anweisungen gegeben, mich genauso wie die Frauen im Porno zu verhalten, mich wie
eine Sache benutzt. Niemand ahnte was davon.“ „Das Kopfkino ging auch in der Schule
weiter. Ich musste meine Mitschülerinnen und Lehrerinnen von Kopf bis Fuss abscannen
und erniedrigen, obwohl ich das nicht wollte.“ „Meine vorher lebenslustige, offene
Tochter war nicht mehr erreichbar, irgendwie abwesend und stumpf. Dann fand ich die
Chatverläufe mit mehreren Männern – voller pornografischer Inhalte von ihr.“
Missbrauch macht Kinder stumm und lebt vom Wegschauen der
Erwachsenen. Das gi lt auch für den größten Missbrauchsskandal unserer
Gesel lschaft:
Kinder und Jugendliche sind frei zugänglicher, vielfach gewalthaltiger Pornografie im
Internet alltäglich ausgesetzt. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung von Schule
und Kinderzimmer und der Ausstattung mit mobilen Endgeräten in immer jüngerem Alter
werden bereits viele Grundschulkinder mit Inhalten konfrontiert, die ihre Grenzen
verletzen und ihnen nachhaltig schaden. Ein großer Tei l der Mainstream-
Pornografie zeigt körperl iche und verbale Gewalt, schwere
Misshandlungen und die Entwürdigung von Frauen und Teenagern (A.J.
Bridges et al, 2010; E. Shor, 2018).
Manche Kinder werden bei der Konfrontation mit solchen Inhalten
traumat isiert, andere gewöhnen sich an den schnel len Kick als
Selbstmedikation gegen Langewei le, Frust oder Einsamkeit. Je früher und
häufiger Kinder mit Pornografie konfrontiert werden, desto mehr prägt es
ihre Sicht auf Beziehungen und Sexual i tät. Ein regelmäßiger Konsum
fördert nachweisl ich Vergewaltigungsmythen („Frauen/Mädchen wol len zum
Sex gezwungen werden/genießen das“) und sexuel le Übergriffe, auch
unter Minderjährigen.
Mehr als die Hälfte der 11- bis 13-jährigen Kinder hat schon Pornografie
im Internet gesehen. Eine Mehrheit der Kinder spricht sich dafür aus, dass explizite
Webseiten für sie gesperrt werden (Studie des British Board of Film Classification BBFC,
2019). Im Jugendalter ist Pornografiekonsum inzwischen zum normgebenden Faktor der
sexuellen Sozialisation geworden: 71 % der 14-17-jährigen Jungen (10 % der
Mädchen) konsumieren mehrmals wöchentl ich bis tägl ich, 21 % sogar
tägl ich Pornograf ie im Internet (WDR Quarks-Studie, 2017). Die gegenwärtig
beschleunigte Digitalisierung von Bildungsprozessen wird nicht von entsprechenden
technischen und pädagogischen Schutzmaßnahmen begleitet. Dadurch wird dem
freiwilligen, jedoch illegalem Konsum bzw. auch der unfreiwilligen Konfrontation mit
Pornografie weiter Vorschub geleistet.
Laut § 184 StGB ist das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen von
pornografischen Inhalten an Personen unter 18 Jahren ein
Straftatbestand. Dieses Gesetz wird angesichts der freien Zugänglichkeit harter
Pornografie ohne Altersverifikation und angesichts der Ausstattung von Kindern und
Jugendlichen mit internetfähigen Endgeräten ohne entsprechende Sicherheitssoftware
und ohne diesbezügliche klare Vorgaben täglich millionenfach verletzt.
Laut Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention darf das Wohl von Kindern anderen
Interessen und Maßnahmen niemals untergeordnet werden:
„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder
privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder
Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt,
der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
Forderungen:
1. Die Digitalisierung von Schule und der damit verbundene immer frühere
und zeitintensivere Internetgebrauch muss endl ich von effektiven Kinderund
Jugendschutzmaßnahmen begleitet werden.
Dies schl ießt technische Lösungen wie verpfl ichtende Schutzsoftware
ebenso ein wie systematische Aufklärung und Schulungen für Eltern und
Lehrkräfte über die Risiken von kindl ichem und jugendl ichem
Pornografiekonsum sowie über pädagogische Handlungsmögl ichkeiten.
Prävention von Pornografiekonsum im Kindes- und Jugendalter sollte
zudem fester Bestandtei l in den Lehrplänen der mit Sexualaufklärung und
Medienerziehung befassten Fächer werden.
2. Die freie Zugänglichkeit von Pornografie für Kinder und Jugendliche
muss zudem durch die Verpfl ichtung von Pornoanbietern zur Einrichtung
eines Altersverifikationssystems verhindert werden.
3. Die Herstellung, Verbreitung und der Besitz von Gewalt – und
Folterpornografie, die Straftaten zeigt und verherrl icht (z.B.
Vergewaltigungen, schwere Körperverletzung oder Rachepornografie)
sowie von Tier-, Kinder- und Jugendpornografie (§ 184a/b/c StGB) muss
konsequent verfolgt und bestraft werden.
4. Das Herstellen, Hochladen und Verbreiten von Nackt – und
Sexdarstel lungen bzw. Aufnahmen des Intimbereichs ohne die Einwi l l igung
der Dargestellten (Revengeporn, Upskirting u.a.) soll als selbstständiger
Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden.
Begründung
Die kommentarlose Duldung des Zugangs zu Pornografie unabhängig vom Alter der
Betrachter stellt einen massiven Eingriff in die sexuelle Sozialisation der jungen
Generation dar.
Kinder mit pornografischen Inhalten zu konfrontieren bzw. durch
entsprechende Bi lder, Fi lme oder Reden auf sie einzuwirken, ist eine Form
von sexuel lem Missbrauch (StGB §176, (4) 4.).
Zahlreiche internationale Studien belegen[1], dass regelmäßiger Pornografiekonsum die
Akzeptanz von sexueller Gewalt erhöht wie auch die Bereitschaft, diese in die Tat
umzusetzen. Tägliche Konsumenten (männliche Jugendliche) sind dreimal so häufig
Täter von sexuellem Missbrauch wie seltenere Konsumenten und konsumieren
sechsmal so häufig auch Kinderpornografie (Priebe et al, 2007). Laut BKA waren 2019
bereits 41 % der Tatverdächtigen im Bereich Kinderpornografie unter 21 Jahren (2018:
26 %), 23 % zwischen 14 und 18 Jahren (2018: 13 %)[2]. Pornografiekonsum fördert
zudem sexting und sexuelle Belästigung im Netz. Männliche Jugendliche, die häufiger
Pornografie konsumieren, nehmen Mädchen verstärkt als austauschbare Sexobjekte
wahr, neigen zu mehr sexueller Aggression, auch innerhalb von Beziehungen, und
äußern wesentlich häufiger den Wunsch, zu Prostituierten zu gehen und gewalttätige
Praktiken umzusetzen. Mädchen, die Pornografie konsumieren, werden häufiger Opfer
von sexueller Gewalt und fühlen sich stark unter Druck gesetzt, den dort vermittelten
Schönheits- und Sexnormen zu entsprechen. Viele Mädchen lassen sich dadurch auf
pornonormierte Praktiken ein, die sie als schmerzhaft, eklig oder entwürdigend
empfinden. Pornokonsum hat zudem ein hohes Suchtpotential und gefährdet die
Empathie- und Beziehungsfähigkeit. Längsschnittstudien zeigen: Je häufiger Jugendliche
Pornografie konsumieren, desto mehr trennen sie Sexualität von jedem
Beziehungskontext und halten Gelegenheitssex für normal.[3]
Der Einfluss von Pornografie auf Persönlichkeitsentwicklung, Beziehungsfähigkeit und
die Zunahme von sexueller Gewalt wird bislang unterschätzt oder verschwiegen. In der
Prävention von sexueller Gewalt und in der Vermittlung von Medienkompetenz muss
dieser Tatsache zukünftig angemessen Rechnung getragen werden. Es reicht nicht aus,
Heranwachsenden zu vermitteln, Pornos seien „nicht realistisch“.
Pol itik und Gesel lschaft müssen endl ich die Verantwortung dafür
übernehmen, Kinder und Jugendliche vor den vielfältigen Formen sexueller
und emotionaler Grenzverletzungen durch frei zugängl iche Pornografie
konsequent zu schützen.
https://doi.org/10.1177%2F1077801210382866 Ana J. Bridges et al, 2010:
Aggression and Sexual Behavior in Best-Selling Pornography Videos: A Content
Analysis Update
https://doi.org/10.1177%2F1077801218804101 Eran Shor, 2018: Age,
Aggression, and Pleasure in Popular Online Pornographic Videos
http://applications.devbureau.de/Porno-Auswertung-Charts/ WDR Quarks-
Studie 2017
seven-new-report- f inds
https://doi.org/10.1177/0886260516633204 N.Stanley et al, 2016: Pornography,
Sexual Coercion and Abuse and Sexting in Young People’s Intimate Relationships: A
European Study
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/00224499.2016.1143441 J.
Peter & P.M. Valkenburg, 2016: Adolescents and Pornography: A Review of 20
Years of Research
[1] U.a. Stanley et al, 2016, Peter & Valkenburg, 2016, Priebe et al, 2007, Wright et al,
2014, 2016, Layden, 2016 u.v.m. Eine Zusammenfassung der internationalen
Wirkungsforschung findet sich in dem Praxisbuch zur Prävention von jugendlichem
Pornografiekonsum „Fit for Love?“ (www.fit-for-love.org)
[2] Pressemitteilung des BKA, Holger Münch, 11.05.2020. [3] U.a. Längsschnittstudien
unter niederländischen Jugendlichen, Peter & Valkenburg, 2006, 2008, 2010
Vielen Dank für Ihre Unterstützung, Tabea Freitag aus Haste